Emi-Electrola
about Flyday 1979
Wir haben in der Bundesrepublik - stärker als in anderen Ländern - eine schizophrene Situation. Auf der einen Seite, so scheint es, dominieren Gruppen auf dem Markt, die vom Publikum geschätzt, von der Fachwelt aber, je nach ideolo- gischem Standpunkt, müde belächelt oder mit flammendem Schwert verdammt werden. Auf der anderen Seite eine Handvoll Gruppen, die zwar von Kritikerlob, aber gewiß nicht von Popularität berichten können. Nun hat aber jede Regel ihre Ausnahme und in Deutschland hörte diese Ausnahme bis Mitte 1977 auf den Namen Kraan. Keiner Gruppe ist es je gelungen, das steht heute fest, in so einhelliger Weise offizielle Wertschätzung und die berühmte Abstimmung mit den Füßen auf sich zu vereinen. Nur noch kurz sei hier an die sechs Kraan-Produktionen erinnert: "Kraan", " Wintrup", "Andy Nogger", das legen- däre "Live-Doppelalbum", "Let it Out"und "Wiederhören Und auch auf eine (wenn auch nur auszugsweise) Darstel- lung der Kritikerstimmen aus Deutschland, England, den Staaten muß verzichtet werden. Wer diese Zeit miterlebt hat, wird sich ohnehin an den Dauerbrenner Kraan im Tourneegeschäft, an Topziffern bei den Plattenumsätzen und alles andere, was das Phänomen Kraan ausmachte, denn anders darf man es wohl nicht mehr bezeichnen, er- innern. Und als es dann im Juni 1977 Kraan auf einmal nicht mehr gab, hat wohl jeder von uns das Gefühl gehabt, daß ein Loch entstanden war. Zwar gab es ziemlich schnell neue Aktivi- täten der Kraan-Musiker, so entwickelte Helimut Hattler zum Beispiel erfolgreich sein "Bassball -Projekt, legte unter diesem Namen eine Solo-LP vor, tourte mit einer Allstar- besetzung, aber jeder, der während dieser Zeit sein Ohr am Publikum hatte, weiß: der Name Kraan lebte weiter, nicht zuletzt auch belegt durch LP-Verkaufsziffern. Ja, und nun, nun ist es soweit. Da liegt eine LP namens "Flyday" auf dem Tisch, auf der unübersehbar das Marken- zeichen "Kraan" steht. Und genauso unüberhörbar ist die Nachricht: Das ist nicht nur eine neue Kraan-Produktion, sondern auch der Startschuß für eine neue Kraan-Tournee. "Flyday" wurde eingespielt von den drei "alteingesessenen" Kraan-Musikern Peter Wolbrandt (guit., voc.), Ingo Bischof (keyboards), Helimut Hattler (bass, voc.) und dem Schlag- zeuger, den Helimut Hattler schon auf seiner Bassball-Tour dabei hatte: Udo Dahmen (ex-Charlie Mariano, ex-Ruphus). Und genau diese Besetzung wird auf der Bühne die Güte, die wir von Kraan-Musik kennen, und den Erfolg, den sie hatten, wahrscheinlich noch vermehren können. Denn was diese vier Musiker an musikalischer Potenz ver- körpern, ist ja bereits eine bekannte Größe. Und was nun an Neuem, Unerwartetem und vielleicht sogar Wegweisendem von ihnen entwickelt worden ist, das beweist zum einen "Flyday", zum anderen aber wird es jedes ihrer Konzerte überzeugend demonstrieren. Oder, um es kurz zu sagen: zu hören und sehen gibt es die alten Kraan-Tugenden mit neuem Leben. Axel H. Lockau |