"Musik
Express" 9/1982
NACHTFAHRT
Kraan
Gee Bee Dee 0028 "He, du da hinten, zieh doch deine Klamotten
aus...es ist doch viel zu heiß hier..." Auch wenn auf NACHT-
FAHRT einige Titel zu finden sind, die bei oberflächlichem Betrachten
als derzeitige BRD-Strömungen (musikalisch) angepaßt scheinen,
muß man davon schon bald Abstand nehmen.
Man kann keinem vorwerfen, sich weiterzuentwickeln, sich zu ändern.
Kraan haben das mit NACHTFAHRT gemacht, Kraan haben das schon immer
gemacht. In der Tat ist der Unterschied zur letzten LP TOURNEE groß,
einem Live-Album mit umfangrei chen, versponnenen Rock-Jazz-Kompositionen.
Aber man sollte mit diesen Klassifizierungen vorsichtig sein, diesmal
erst recht. Das Konzept wurde gestrafft, ganz klar, Stücke nach
vergleichsweise einfachem Muster komponiert, fast alle betextet (4x
deutsch, 2x englisch). Am ehesten vergleichbar mit früheren Aufnahmen
sind die drei Instrumentalnummern, von denen besonders das "Wintruper
Echo" mit hübschen Melodien aufwartet. Überhaupt ist
es erstaunlich, welchen Einfallsreichtum Hellmut Hattler (bg), Ingo
Bischof (keyb) und Peter Wolbrandt (g) entwickeln, um auf ihre Weise
Rock, Funk und Jazz zu verbinden und Eigenständigkeit zu bewahren.
Neuer Schlagzeuger bei Kraan ist Gerry Brown, in der Jazz-Funk-Szene
kein Unbekannter (u.a. mit John Lee/ Gerry Brown-Duo), dessen präzise
und nuancenreiche Spielweise nicht nur ausgezeichnet mit der Gruppe
harmoniert, sondern auch für Akzente sorgt. Besonders im (instrumentalen)
Titelstück treten seine rhythmischen Qualitäten zutage. Drei
Stücke begleitet der Kraan-Drummer der ersten Stunde, Jan Fride,
am unkonventionellsten sein Spiel im eingangs (fast vollständig)
zitierten "Viel Zu Heiß".
Die deutschen Texte sind nicht umwerfend, aber ich denke, die Einheit
aus Gesang (Wolbrandt) und Musik steht im Vordergrund. "Elfenbein"
und speziell "Paper Stars" sind treffen de Beispiele dafür.
Auch als Single er schienen ist "Faust 2000", agressiver Funk,
aber längst nicht die einzige tanzbare Nummer.
Fazit: Trotz allen Angleichens an den Zeitgeschmack wird hier Musik
gemacht ohne den Anspruch, irgendetwas Besonderes sein zu wollen. Kraan
haben immer Kraan-Musik gemacht. Das hat sich nicht geändert.
**** Matthias Strzoda
Musik Express Nr.9, September 1982
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